Bolivien - unterwegs im Altiplano

Indra Waldbüßer
Von Indra Waldbüßer
Geschrieben am: 13. Juni 2025
Reisebericht Bolivien

Das Andenhochland von Bolivien ist eine Welt für sich. An den bizarren, menschenleeren Landschaften im Altiplano kann ich mich einfach nicht satt sehen. Nicht zum ersten Mal führt mich eine Reise in diese Gegend. Ich kenne den chilenischen Lauca Nationalpark, die Atacamawüste mit den El Tatio Geysiren und den Hochlandlagunen sowie den Paso de Jama, den Grenzübergang nach Argentinien auf 4.400 m. Auch in die Puna, das argentinische Andenhochland, an den Titicacasee in Peru und ins Altiplano von Bolivien führten mich frühere Reisen bereits.

Bolivien steht wie kein anderes Land für das Altiplano, obwohl nur ein Drittel der Landesfläche zum Hochland gehört. Hier liegen die Hauptsehenswürdigkeiten Boliviens: La Paz erstreckt sich auf einer Höhe zwischen 3.200 m und 4.100 m, der Titicacasee ist auf 3.812 m zu finden, der größte Salzsee der Erde, der Salar de Uyuni, liegt auf ca. 3.600 m Höhe und die Laguna Colorada befindet sich gar auf 4.278 m über dem Meeresspiegel.

Für alle, die diese Naturschätze Boliviens erkunden möchten, ist ein wichtiges Thema die Höhenanpassung. Eine ausreichende Akklimatisierung benötigt Zeit.

Höhenanpassung - mein Reiseverlauf

Ich wohne in München und gehe ab und an auf einen Berg. Über 2.000 m hinaus komme ich dennoch eher selten. Der internationale Flughafen Viru Viru in Santa Cruz de la Sierra liegt im Tiefland Boliviens auf 373 m Höhe - zur Akklimatisierung ist das nicht der ideale Startpunkt. Auf meiner Bolivienreise ging es zunächst in den Amboró Nationalpark (ca. 800 m), nach Cochabamba (2.558 m) und Toro Toro, wo ich eine erste kleine Höhenkostprobe bei der kurzen Wanderung zur Ciudad de Itas auf 3.780 m bekam. Übernachtet wurde auf ca. 2.700 m, dann auf 2.500 m. Auf dem Weg von Sucre nach Potosí erreichten wir schließlich über 4.000 m. Die Nacht auf der Hacienda Cayara auf 3.550 m war unser erster Härtetest gefolgt vom Besuch der Stadt Potosí (4.090 m) und der Minen an den Hängen des Cerro Rico auf ca. 4.200 m. Die Nacht verbrachten wir in Tupiza auf 2.850 m, nur ein Ausflug per Allradwagen brachte uns für einige Minuten auf ca. 3.700 m.

Dann sollte das große Abenteuer beginnen: Über die sehr gut ausgebaute Straße von Tupiza nach Uyuni und anschließend in südlicher Richtung (wenn man GoogleMaps glaubt querfeldein) erreichten wir nach 7 Stunden reiner Fahrtzeit in völliger Dunkelheit und bei eisigen Temperaturen Quetena Chico auf 4.150 m inmitten der Provinz Süd-Lípez. Von hier aus wollten wir zu dritt am nächsten Morgen früh um 5.30 Uhr aufbrechen, um den 6.008 m hohen Vulkan Uturuncu zu besteigen. Doch zu diesem Abenteuer später mehr...

Laguna Colorada

Von Quetena Chico fahren wir am Nachmittag in gut einer Stunde zur Laguna Colorada. Unterwegs sehen wir Nandus und Vinkunjas. Vor ein oder zwei Jahren wurde an der Laguna Colorada ein kleines Café gebaut. Der Parkplatz am Aussichtspunkt ist mit mehreren Allradfahrzeugen gut gefüllt. Wir starten den kleinen Rundweg und auch wenn es einigermaßen stark windet, ist das heute nichts im Vergleich zu meinem ersten Besuch an der Laguna Colorada. Damals war ich früh morgens im September dort, kaum ein anderer Besucher, dafür aber ein eisigkalter, schneidender Wind, so dass ich innerhalb von Minuten wieder im Auto saß.

Die Laguna Colorada ist bekannt als einer der kältesten Orte in Bolivien. Der tiefrot gefärbte See ist Heimat mehrerer tausend Flamingos. Die ganze Pracht an rosafarbenen Vögeln erlebt, wer in den warmen Monaten nach Bolivien reist. Inzwischen ist es Juni und der Winter beginnt. Die nächtlichen Temperaturen sinken bereits jetzt auf -8° C, im Juli und August zeigt das Thermometer nachts nicht selten -20° C. Die Hochlandlagunen im Altiplano von Bolivien frieren zu. Ich sehe erste Eisschichten und Flamingos, die sich dicht zusammendrängen. So vermeiden die Tiere, dass das Wasser um sie herum gefriert. Meist finden sich alle Flamingos an 15° C warmen Quellen ein. Einige der jungen Flamingos müssen noch das Fliegen lernen. Dann erst wandern auch die restlichen Vögel ins Warme.

Die Laguna Colorada zeigt sich im Nachmittagslicht tiefrot. Das ist auch der Grund für die vielen Besucher um diese Uhrzeit. Am Morgen ist man hier nach wie vor fast alleine. Doch soll die Färbung dann auch weniger zur Geltung kommen. Wie auch immer, die Laguna Colorada ist ein beeindruckendes Naturschauspiel. Der Wind türmt immer mehr gleißend-weißes Borax auf. Zum Glück liegt die Laguna Colorada geschützt in der Reserva (Nacional de Fauna Andina) Eduardo Avaroa, so dass hier kein kommerziellen Abbau stattfinden darf.

Wir steuern noch kurz den zweiten Aussichtspunkt oberhalb der Laguna Colorada an, bevor wir uns auf die Weiterreise in die Siloli-Wüste begeben.

Siloli-Wüste

Das bekannteste Fotomotiv der Siloli-Wüste ist der Arbol de Piedra, der Steinbaum. Das Gebilde ist 7 m hoch und durch Erosion entstanden. Umliegend gibt es weitere, bizarre Felsformationen. Sanddünen sucht man in der Siloli-Wüste vergebens. Doch sind die Farbschattierungen und Lichtspiele einzigartig. Sonnenuntergang und Sternenhimmel im Hotel Tayka del Desierto inmitten der Siloli-Wüste auf 4.523 m haben mich bei meiner ersten Bolivienreise mehr als überzeugt. Das Tayka del Desierto ist eines der höchsten Hotels der Welt und wir kommen dieses Mal nur dort vorbei. Im Anschluss geht es bergab zu den Lagunen und unserer nächsten Unterkunft.

Laguna Hedionda & Vulkan Ollagüe

Das chice Eco Hotel Flamencos Altiplano liegt am Ufer der Laguna Hedionda auf 4.115 m. Es ist sehr einladend eingerichtet. Gerne sitze ich hier am Kaminfeuer. Zum Abendessen gibt es Lamasteak, Korianderhuhn oder vegetarische Gerichte. Die Speisen sind vorzüglich. Neben Zimmern und einer Familiensuite stehen auch zwei Domzelte direkt am Ufer. Die Fotos sprechen für sich, was für ein Erlebnis eine Nacht dort ist!

Am nächsten Morgen umfahren wir die Laguna Hedionda, hören den Flamingo-Gesängen zu und genießen die Ruhe, bevor es weiter durch das wunderschöne Altiplano und zum Mirador Ollagüe geht. Der gleichnamige Vulkan bildet die Grenze zwischen Bolivien und Chile. Man sieht eine Fumarole in großer Höhe. 5.868 m ist er hoch. Bis zum Jahr 2.000 wurde an den Hängen des Ollagüe Schwefel abgebaut. Dann brach der Preis für Schwefel ein und die Minen wurden verlassen.

Um den Mirador herum kann man erkaltetes Vulkangestein in unterschiedlichen Formen bewundern. Es gibt einen kleinen Shop und Lamawürstchen zu kaufen.

Salar de Chiguana

Wir fahren weiter über den Salar de Chiguana. Die dortigen Bahngleise bilden ein weiteres Fotomotiv vor dem Vulkan Ollagüe. Eine Schmalspurbahn verbindet den Hafen von Antofagasta in Chile mit La Paz. Der Binnenstaat Bolivien ist angewiesen auf Güterverkehr über die chilenischen Häfen. Da hohe Zölle verlangt werden, sind die Chilenen bei den Bolivianern nicht besonders beliebt. Das hat auch mit der Geschichte zu tun: Bolivien verlor den Zugang zum Pazifik sowie u.a. die größte Kupfermine der Welt in Chuquicamata während des Salpeterkriegs, der 1884 endete, an Chile.

In San Juan de Rosario stehen riesige Kakteen und wir machen die Landwirtschaft zum Thema, erfahren dabei von unserem Guide, dass Lamawolle für den Markt uninteressant ist und dass der Kartoffelanbau ein sehr hartes Geschäft ist.

Salar de Uyuni - Uyuni Salzsee

Außerdem sprechen wir die Probebohrungen im Salar de Uyuni an. Im Salzsee lagern Millionen Tonnen Lithium, das u.a. für die Batterien von Elektroautos, aber auch für Smartphones gebraucht wird. Um den geplanten Lithiumabbau doch noch zu verhindern, gab es bereits Proteste von Guides und Dorfbewohnern. Sie sehen das Gleichgewicht des Ökosystems gefährdet und somit ihre Lebensgrundlage bedroht. Ein hoher Wasserverbrauch ist nötig, um Lithium zu gewinnen. Felder und Grundwasserspeicher würden austrocknen. Die Lebensgrundlage der Menschen der Umgebung wäre nicht mehr existent.

Wir erreichen den Salzsee an der tiefsten Stelle und sind verblüfft: Es ist Anfang Juni und von dieser Seite ist die Piste auf den Salar umgeben von Wasser. Die türkisblaue Färbung lässt uns kurz von einem Strand in der Karibik träumen. Das 'Blue Hole' ist ebenfalls zu sehen. Im Hintergrund ragen Vulkane auf. Als wir aussteigen und den kalten Wind spüren, wissen wir wieder, wo wir sind: Der Salar de Uyuni verzaubert uns ein Mal mehr. Dieses Mal durch Wasser auf der Oberfläche. Die perfekte Spiegelung bleibt durch den aufkommenden Wind zwar aus, aber dies tut dem Erlebnis keinen Abbruch. Unser 4WD-Fahrzeug 'gleitet' langsam, fast meditativ durch das Wasser. Die noch mit Wasser bedeckte Fläche erscheint mir riesig, auch wenn nur ein Bruchteil des mehr als 10.000 qkm großen Uyuni Salzsees mit Wasser bedeckt ist.

Das Wasser ist zum einen Regenwasser und zum anderen Flusswasser.

Isla Incahuasi

Unser nächstes Ziel ist die Isla Incahuasi inmitten des Salzsees. Tische und Bänke aus Salz wurden neben dem Parkplatz errichtet. Es fällt eine kleine Eintrittsgebühr für den Zutritt zur Isla Incahuasi an. 

Riesige Kakteen wachsen auf der Insel. Die mehrere hundert Jahre alten Pflanzen können bis zu 10 m hoch werden. Die Art kommt ausschließlich auf Höhen zwischen 2.500 m und 3.800 m vor. Das Holz wurde früher als Baumaterial für Möbel verwendet. Heute werden daraus Souvenirs geschnitzt und verkauft.

Wir gehen den Rundweg, der auf 3.710 m hinaufführt und zum einen die Kakteen zum Thema macht und zum anderen die grandiose Aussicht zu allen Seiten über den weißen, gleißend hellen Salar de Uyuni. Eine Sonnenbrille ist in jedem Fall ein passendes Accessoire für den Besuch Boliviens. Noch wichtiger ist eine Kopfbedeckung: Ich trage zu jeder Zeit abwechselnd einen Sonnenhut und eine Baseballkappe, um mich vor einem Sonnenstich zu schützen. Die Sonneneinstrahlung in den Höhenlagen Boliviens ist deutlich stärker als die Sonneneinstrahlung bei uns im Sommer.

Auf der Isla Incahuasi finden wir auch versteinerte Korallen. Die sich heute im Salzsee befindliche Insel war früher einmal Meeresboden. Es gibt eine Art Minitunnel auf der Isla Incahuasi, durch den wir absteigen. Mehrere Stufen bringen uns zurück zum Auto. Eine halbe Stunde benötigt man für den Rundweg auf der Isla Incahuasi, wenn man sich beeilt. Durch die Höhenlage braucht man Zeit für den Anstieg und natürlich für die vielen Fotos der unbeschreiblich schönen Panoramaansichten über die weite Ebene des Salar de Uyuni.

Coqueza am Vulkan Tunupa

Für uns geht es weiter über den Salar de Uyuni bis ganz in den Norden. Am Nordufer thront mit 5.432 m Höhe der Vulkan Tunupa. Der gezackte Kraterrand erscheint rot, orange und grünlich-braun und bildet einen tollen Kontrast zum strahlenden Weiß des Salar de Uyuni. Zu Füßen des Vulkans liegt übrigens das Hotel Tayka de Sal.

Wir fahren bis hinauf zum Aussichtspunkt Coqueza. Hier liegt das Grab Chullpas mit gut erhaltenen Mumien, die über 800 Jahre alt sind. Ein kurzer Pfad führt zu einer mit Tür verschlossenen Höhle. Die sieben Personen im Inneren sind Männer, Frauen und Kinder aus der Prä-Inka-Zeit. Nachdem sich unsere Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, erkennen wir gut Kleidung, Haare und Nägel - ja, sogar ein paar Stücke Haut. Die trockene Höhenluft konserviert nicht nur die Knochen der Mumien.

Wir sind übrigens die einzigen Besucher des heutigen Tages. Auf dem Rückweg beobachten wir ein scheues Vizcacha zwischen den Felsen. Die Aussicht über den Salar de Uyuni von hier oben ist unbeschreiblich und in seiner ganzen Pracht nicht auf einem Foto festzuhalten. Man muss es mit eigenen Augen gesehen haben und selbst hier gewesen sein!

Überraschung am Salar de Uyuni

Am späten Nachmittag verlassen wir Coqueza. Über die Salzebene des Salar de Uyuni geht es mit 100 km/h in Richtung der Stadt Uyuni. Links und rechts, vorne und hinten - wohin wir auch schauen: Überall gleißend weißes Salz! Wir kommen am Rallye Dakar-Denkmal vorbei und am ersten Salzhotel, das mitten auf dem Salzsee steht, aber nicht mehr in Betrieb ist. Unser Fahrer hat es ein wenig eilig... er hat eine Überraschung für uns: den Sonnenuntergang auf dem Salar de Uyuni - und zwar nicht irgendwo, sondern im seichten Wasser, das dieses Jahr noch immer auf dem Salar steht. Denn dort sind die Spiegelungen und die Färbungen zum Sonnenuntergang einfach magisch. Wir zelebrieren die Stunde rund um den Sonnenuntergang wie bei einem Sundowner in Afrika. Ich bin überwältigt, wie schön es ist und wie grandios ich Bolivien auch auf dieser Reise wieder erleben darf. Flamingos fliegen über uns hinweg. Die Wolken verfärben sich von gelb über orange zu pink und lila. Wir sind im Glück. Und haben wirklich Glück: Denn es ist nicht nur ein Sonnenuntergang auf dem Salar de Uyuni, es ist ein beeindruckendes Naturschauspiel mit Wasser, Wolken und Vögeln. Dass wir nicht das einzige Fahrzeug auf dem Salzsee sind, tut dem Erlebnis keinen Abbruch. Die anderen Fahrzeuge stehen in sicherer Entfernung, obwohl doch Musik von ihnen zu uns vordringt.

Noch vor der eigentlichen Eröffnung dürfen wir heute im Hotel Boutique Andina übernachten. Das chice, neue Hotel in Uyuni bietet grandiose Aussichten über den Ort bis hin zum Salzsee. Unser Abendessen am Kamin ist überaus lecker und das Personal ist sehr aufmerksam. Wer etwas Komfort und Luxus sucht, wird hier ab August 2025 fündig. 

Inlandsflug Uyuni - La Paz

In der Früh geht es zum Flughafen Uyuni. Uns erwartet ein aussichtsreicher Flug über das Altiplano Boliviens. Ich hatte das Glück auf allen Inlandsflügen am Fenster gesessen zu haben, konnte u.a. die grünen Felsenzähne von Toro Toro aus der Luft sehen. Doch ist der Flug von Uyuni nach La Paz der allerbeste. Links der Flugroute liegt der Salar de Uyuni, der Flug geht am Vulkan Tunupa vorbei, in der Ferne sehe ich den mit Wasser gefüllten Salar de Coipasa, nur wenige Minuten später sind die über 6.000 m hohen Vulkane Sajama, Acotango und Parinacota zu sehen. Zwei davon liegen im bolivianischen Nationalpark Sajama. Der Parinacota befindet sich bereits in Chile, im Lauca Nationalpark.

Als wäre das nicht genug, kann ich nun auch den tiefblauen Titicacasee erblicken und, nachdem das Flugzeug eine Kurve geflogen ist und zum Landeanflug ansetzt, sehe ich das Häusermeer von El Alto und La Paz und die imposanten, teils Schnee bedeckten Gipfel der Königskordillere (Cordillera Real). Der Gletscher am 5.395 m hohen Chacaltaya ist hingegen seit knapp 15 Jahren völlig verschwunden. Einst lag hier das höchste Skigebiet der Welt, ungefähr 80 Jahre lang konnte dort dem Wintersport gefrönt werden, bis der Gletscher dem Klimawandel 2011 endgültig seinen Tribut zollte. Die tropischen Andengletscher gehen auch in den Nachbarländern zurück.

La Paz mit Mondtal und Valle de las Animas

Wir landen auf über 4.000 m am Flughafen El Alto La Paz. Mit einem Guide geht es zu einigen Cholets. Das Wort setzt sich zusammen aus Chalet und Cholo, also aus einem Haus in den Bergen von Menschen indigener Abstammung. Es sind Gebäude vermögender Bürger, die schrill und bunt sind. Häufig haben diese Häuser ein Motto, wie z.B. Transformers oder New Yorker Freiheitsstatue. Viele stammen von Freddy Mamani, einem bolivianischen Architekten, selbst ein Aymara, der den sonst häufig grauen Straßen mit seiner neoandinischen Architektur Farbe verleihen will.

Eines der Wahrzeichen von La Paz sind mit Sicherheit die modernen Glaskabinen der Doppelmayr-Kabinen. Inzwischen gibt es 10 Seilbahnlinien. Wir nehmen zwei davon; zunächst geht es mit der silberfarbenen Linie über die Dächer von El Alto mit atemberaubenden Ausblick auf den Kessel von La Paz und die Berggipfel der Königskordillere und dann weiter mit der roten Linie hinunter nach La Paz selbst. Das kostet uns gerade einmal 5 Bolivianos pro Person (umgerechnet 33 Cents).

Wir gehen zu Fuß durch die Calle los Andes. Karneval ist in Bolivien extrem beliebt. In der Calle los Andes reihen sich Kostümgeschäfte aneinander. Ein Laden ist farbenfroher als der nächste. Die verschiedenen Kostüme und Kleider kommen aus den unterschiedlichen Regionen Boliviens und sie werden mitnichten nur zu Karneval getragen. Feste werden in ganz Bolivien zelebriert.

Unser Guide kauft für uns Saltenas, eine Art Empanada, also gefüllte Teigtaschen. Klassischerweise sind diese gefüllt mit Fleisch, es gibt inzwischen aber auch vegetarische Optionen.

Mondtal

Unser nächster Stopp ist das Mondtal. Zunächst fahren wir bergab. La Paz erstreckt sich von 4.100 m Höhe bis hinunter auf 3.200 m Höhe. Die südlichen Stadtteile sind die niedrigsten. Hier befinden sich u.a. die meisten Botschaften, die wohlhabendere Bevölkerung hat hier ihre Villen und auch der 162 m hohe Green Tower, der 2022 fertig gestellt wurde und als höchstes Gebäude Boliviens gilt, ragt hier empor.

Die Landschaft des Mondtals ist durch Erosion entstanden. Es ist ein Schutzgebiet, um das herum ständig Neubauten entstehen. Ein schmaler Rundweg führt über Stufen auf und ab durch das Felsenlabyrinth. 1,5 Stunden kann man hier gut einplanen.

Valle de las Animas

Wir fahren direkt weiter zum nächsten Naturschauspiel vor den Toren von La Paz: dem Valle de las Animas. Dieses beeindruckt mich. Die grünen Felsen im Tal der Seelen ragen steil und hoch hinauf. Mit etwas mehr Zeit kann man tolle Wanderungen unternehmen oder ein Picknick in einer Art natürlicher Filmkulisse machen.

La Paz

Im schönsten Nachmittagslicht stehen wir anschließend auf dem Mirador Kili Kili. Der 6.438 m hohe, schneebedeckte Gipfel des Illimani übertrumpft die Stadt. Das alte Fußballstadion liegt zu seinen Füßen. Wir machen letzte Schnappschüsse und Erinnerungsfotos, bevor es weiter geht zu einer der ältesten Straßen von La Paz.

Calle Jaén: Die Calle Jaén ist eine gute erhaltene Kolonialstraße mit Kopfsteinpflaster. Wir gehen zu Fuß durch die schmale Gasse und kommen an kleinen Cafés mit Innenhof und Museen vorbei. Es gibt u.a. Ausstellungen zum Salpeterkrieg, zu Musikinstrumenten und ein Goldmuseum. Wir entdecken auch ein Plakat zum Cholita Wrestling, wo indigene Frauen in Bluse und traditionellen Faltröcken (oft sind es 10 übereinander) gegeneinander antreten.

Plaza Murillo: Die Plaza Murillo, der Hauptplatz von La Paz, ist gerade gesperrt. Vor zwei Tagen wurden die Wahlbüros geöffnet und die Präsidentschaftskandidaten können ins Wahlregister eingetragen werden. Einige Bolivianer wollen Evo Morales zu einer weiteren Amtszeit verhelfen. Unter ihm (2006 - 2019) erfuhr Bolivien einen wirtschaftlichen Aufschwung. Doch nach zwei Amtszeiten ist für einen Präsidenten in Bolivien verfassungsgemäß Schluss und so kommt es aktuell vermehrt zu Demonstrationen auf den Straßen von La Paz. Die Wahlen werden im August 2025 stattfinden.

Hexenmarkt: Unser letzter Stopp ist der Hexenmarkt (Mercado de las Brujas). Skurril sind die getrockneten Lamaföten, die - wie wir uns von unserem Reiseleiter sagen lassen - nicht getötet werden, sondern auf natürliche Weise verstorben sind, bevor sie hier auf den Markt gebracht werden. Es gibt allerhand Heilkräuter, Tees und Pulver für spirituelle Zwecke. Inzwischen ist der Mercado de las Brujas aber in erster Linie ein Souvenirmarkt für Reisende. Bunte, gewebte Schals und Strickpullover aus Alpakawolle sind in meinen Augen die interessantesten Waren. Der wilde, farbenprächtige Hexenmarkt ist ein prima Fotomotiv.

Kirche San Francisco: Eine Ecke weiter steht die Kirche San Francisco. Die Fassade zeigt barocke und mestizische Stilelemente, die elegant ineinander übergehen. Die ursprüngliche Kirche stammt aus dem Jahr 1548, wurde jedoch durch einen Schneesturm zerstört und im 18. Jahrhundert in ihrer heutigen Form wiederaufgebaut.

La Casona Hotel Boutique: Meine letzte Nacht in Bolivien verbringe ich im zentral gelegenen und dennoch Ruhe ausstrahlenden Casona Hotel Boutique. Wir treffen uns zu einem Abschiedsabendessen im hoteleigenen Restaurant, bevor am nächsten Morgen schon früh unser Transfer zum Flughafen auf uns wartet.

Die Landschaftsliebhaber und Entdecker unter uns, sollten Bolivien definitiv nicht versäumen!

Auf den Zombie-Vulkan Uturuncu 6.008 m 

Wie erwähnt sollte es für mich auf den Zombie-Vulkan Uturuncu gehen. Der Gipfel ist einer der am einfachsten zu besteigenden 6.000er. Mit 6.008 m überschreitet der Hauptgipfel des Uturuncu gerade so die 6.000er-Marke.

Start ist in der Herberge in Quetena Chico früh morgens um 5.30 Uhr bei absoluter Dunkelheit. Wir sehen den klaren Nachthimmel, zum Genießen bleibt keine Zeit. Es ist auch ehrlich gesagt deutlich zu kalt für Genuss. Unsere Tour startet bei -9° C auf 4.150 m mit dem 4WD-Fahrzeug. Über schmale Pisten geht es nur langsam bergan.

Nach ca. 1,5 Stunden sind wir am Ausgangspunkt unserer Bergbesteigung angelangt. Die Piste gilt als höchstgelegene Straße der Welt. Mit dem Mountainbike könnte man noch etwas höher hinauf, mit dem Auto ist bei ca. 5.550 m Schluss. Dass die Bergpiste überhaupt existiert, liegt daran, dass bis ins Jahr 2000 Schwefel am Uturuncu abgebaut wurde. Nach der Pandemie wurde der Straßenzustand verbessert, so dass inzwischen relativ gesichert ist, wie weit Fahrzeuge hinauffahren können.

Im Schatten des Uturuncu bei schneidendem Wind starten wir. Die gefühlte Temperatur am Gipfel wird in der Früh mit - 25° C angegeben. Wir sind gut eingepackt, haben fünf bis sieben Schichten an. Auf Sturmmasken verzichten wir, ziehen aber unsere Schals weit ins Gesicht. Mützen und Kapuzen haben wir auf und jeder von uns ist mit zwei Paar Handschuhen übereinander ausgestattet. Unser Bergführer geht nun in langsamem Tempo voran, wir im Gänsemarsch hinter ihm her. Wir folgen immer wieder der ehemaligen Straße zur Schwefelmine. Die leichte Steigung empfinde ich als angenehm. Jedes Mal, wenn unser Bergführer eine Abkürzung nimmt, geht es steiler hinauf und mein Herz pocht. Wir gehen langsam, machen immer wieder Pausen, die erste als wir die Sonnenseite des Uturuncu erreichen. Ein Schluck Wasser, ein Biss von einem Energieriegel und die Sonnenbrille auf. Meine Flasche beginnt von Innen bereits zu vereisen. Weil das Trinkwasser so kalt ist, hat unser Guide auch an einen Tee gedacht. Wir machen ein paar Fotos, bevor es weitergeht.

Es riecht nach Schwefeldioxid. Links und rechts sehen wir das gelbe Mineral liegen und hier und da eine Fumarole austreten. Das Atmen fällt uns bereits ein bisschen schwer. Richtig anstrengend wird es dann in der Flanke zum Hauptgipfel. Es geht steil hinauf. Das Geröllfeld macht uns zu schaffen. So mancher Schritt ist irgendwo umsonst, weil ich im feinen Kiss genau so viele Zentimeter wie ich aufgestiegen bin wieder abrutsche. Im Zickzack führt der Pfad hinauf, geschätzte 250 hm geht das so. Doch der Ausblick ist jetzt schon unfassbar schön und entschädigt für die Strapazen: Die Lagune Celeste liegt in ihrer ganzen Pracht unter uns.

An einer windgeschützten Stelle machen wir an einigen größeren Felsen Rast. Ich genieße das erhabene Panorama. Über dem Alitplano zu sein, ist wirklich etwas ganz Besonderes. Die Umgebung ist karg und kahl und dennoch farbenfroh und wie ich finde zauberhaft. Wir stärken uns mit einem kleinen Bissen und einem wärmenden Tee. Dann sind wir bereit für die letzten Höhenmeter über das Schneefeld zum Gipfel des 6.008 m hohen Uturuncu. Den griffigen Schnee überquere ich mit großer Freude, sehe ich doch bereits mein Ziel. Aus Sicherheitsgründen marschieren wir nun mit Stöcken. Die letzten Meter zum Gipfel des Uturuncu sind flacher und ich schwebe förmlich bis auf die 6.000 m-Marke. Einer meiner Mitstreiter lässt sich hinter mich zurück fallen, der zweite quält sich schon seit einiger Zeit beschwerlich bergauf. Am Ende sind wir glücklich und froh, als Team gemeinsam das Ziel eines 6.000ers erreichen zu können. In allen Richtungen breitet sich das bolivianische Altiplano unter uns aus. Die Sonne wärmt, auch wenn der Wind immer noch eisig ist und in Kürze unsere Hände beim Fotografieren auskühlt. Die Kälte ist es auch, die mich zum Abstieg bewegt. Ich könnte den Erfolg und den 360°-Ausblick ansonsten noch länger genießen.

Die Gipfelfotos sind geschossen - alleine und zu dritt, mit der bolivianischen Flagge, die mir unser Bergführer entgegenstreckt, wie ohne. Es ist ein herrlich sonniger Tag. Beschwingt gehe ich bergab. Jetzt geht auf einmal alles schneller. Bergauf muss ich sagen, war ich überrascht, wie langsam mein Körper funktionierte. Unsere Akklimatisierung war zugegeben nicht optimal, Herzrasen blieb zum Glück aus, aber die Sauerstoffzufuhr zu all unseren Muskeln war doch so gering, dass ich bemerkte, wie alles nur langsam geht und ich Geduld haben muss. Es hat etwas Meditatives, aber es kostet auch Überwindung, immer weiter zu gehen in diesem Schneckentempo. Man muss schon auf solch einen Gipfel wollen, um sein Ziel in diesen Höhen zu erreichen.

Ich rutsche gerne und schnell das Geröllfeld ab und merke in Kürze, als wir zurück bei den Schwefel-Fumarolen sind, dass auch das Körner kostet. Eine weitere Pause ist angesagt, bis alle abgestiegen sind. In moderater Geschwindigkeit gehen wir weiter bergab. Nach knapp 5 Stunden sind wir zurück am Auto, weitere 1,5 Stunden später erreichen wir unsere Herberge in Quetena Chico. Das Altiplano begeistert uns einmal mehr - jetzt wo wir die Landschaft sehen, die wir am frühen Morgen in der Dunkelheit bereits nichtsahnend durchfahren haben.

Indra Waldbüßer
Über den Autor
Indra Waldbüßer

Seit ich fast ein Jahr in Chile gelebt habe und durch das ganze Land gereist bin, bin ich fasziniert von den Ländern Lateinamerikas - speziell Patagonien und das Altiplano haben es mir angetan. Inzwischen kenne ich viele Ecken in Süd-, Mittel- und Nordamerika aus eigenen Fernreisen und mag einfach immer wieder hin.